Du willst Dich mit Deinem Kaffee an den Frühstückstisch setzen. Doch Deiner Tochter fällt die Müsli-Packung um. Die Milch kocht über. Und Dein Sohn braucht noch eine Einwilligungserklärung für die Durchführung von Selbst-tests. Auf dem Weg zur Arbeit hörst Du die Nachrichten über den Vormarsch der Tailban in Afghanistan, die erhöhten Inzidenzen der letzten Woche und den geplanten Putsch in Brasilien. Am Arbeitsplatz kannst Du erst nach einer Stunde an Deine Daten, weil Dein Rechner automatisch das neueste Update installiert. Dein Bruder ruft an und erzählt, dass Deine Mutter zu Hause umgefallen ist und kurz nach dem Sturz nicht mehr wusste, wie sie heißt. Jetzt ist sie im Krankenhaus, ihr Gedächtnis ist wieder da, und Du machst Dir Sorgen. Du hast einen gefürchteten Zahnarzttermin, und zu Hause ist der Kühlschrank leer. Und zu guter Letzt ist auch noch Dein Lieblingsstift verschwunden.
Nimm Dein Schreibheft, sucht Dir einen neuen Stift und schreib! Schreib einfach. Mitten im Chaos, trotz des Gefühls der momentanen Überforderung, mach diesen mutigen Schritt nach vorne. Und schreib! Als ginge es um Dein Überleben. Schreib! Schreib! Schreib!
Es gibt keinen perfekten Moment, keinen perfekten Ort, keinen perfekten Stift. Lern also, den Moment mit all seinen Herausforderungen anzunehmen. Und genau da, wo Du bist, zu schreiben. Über das was Dich gerade bewegt, hier und jetzt.
Schreib unter verschiedenen Bedingungen, an verschiedenen Orten. Am Morgen am Küchentisch neben der Milchlache. Im Auto in der Tiefgarage. Am Arbeitsplatz, während du auf Dein Update wartest. Beim Zahnarzt im Wartezimmer. Im Supermarkt, an ein Regal gelehnt. Auf dem Teppich im Kinderzimmer. An der Bushaltestelle, in einem Cafe oder auf dem Bordstein vor der Schule sitzend. Oder auch abends am See, während die Kinder zu Hause Netflix schauen.
In der Hitze Kappadokiens habe ich im Schatten der Höhlen geschrieben. Am Flughafen JFK in New-York an meinen Rucksack gelehnt, auf dem Boden sitzend. Im Leipziger Auwald auf dem Stamm einer umgestürzten Eiche. Erst nach einer Stunde setzte ich den Stift wieder ab.
Warte nicht auf die perfekten Bedingungen. Es zählt nicht, wo Du Dich gerade befindest – es IST perfekt. Zu wissen, dass Du immer und überall schreiben kannst, gibt Dir das wunderbare Gefühl von Unabhängigkeit und Sicherheit. Wenn Du wirklich schreiben willst, wirst Du eine Möglichkeit finden. Was auch immer passiert.
Literaturquelle und Inspiration: „Natalie Goldberg. Schreiben in Cafés. „Schreiben Sie überall“